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Der eingebildete Kranke

Komödie von Molière

In einer Bearbeitung von Martin Heckmanns. Schwäbische Fassung von Franz-Xaver Ott


Molières letzte Komödie ist die Geschichte einer Einbildung. Der wohlhabende Argan ängstigt sich in übertriebener Weise vor allem, insbesondere vor Ansteckung und Krankheit, aber genauso vor der Komplexität der Gegenwart. In seiner Hypochondrie, in die er sich selbstgefällig eingerichtet hat, vertraut er nur seinen Ärzten. Und diese verdienen gut und gerne an seinen unablässigen Beschwerden. Um immer einen Hausarzt an seiner Seite zu haben, will er seine Tochter Vaccine mit dem Sohn seines Doktors verheiraten. Diese ist jedoch in Cléante verliebt und bereit für ihre Liebe zu kämpfen. Die Stiefmutter Béline ist jedoch mehr am Erbe des ungeliebten Ehemanns interessiert. Allein die Hausangestellte Toilette durchschaut das verrückte Treiben und verordnet ihrem Herrn eine Radikalkur, indem sie mit List und Tücke die Verhältnisse auf den Kopf stellt und ihm die Realität vor Augen führt.

Molières turbulente Komödie ist eine rasante und kernige Abrechnung mit dem wehleidigen Weltschmerz der Privilegierten. Ohne aufdringliche Aktualisierung, gelingt es der Neufassung einen Menschentyp unserer Gegenwart ins Zentrum zu stellen, der erst listig und trickreich von seinen Untergebenen überzeugt werden muss, damit er einen ersten Schritt wagt in Richtung Erkenntnis und Veränderung.


Premiere am 1. Juni 2021 am LTT Tübingen (open-air)




Regie: Christoph Biermeier

Bühne und Kostüme: Claudia Rüll Calame-Rosset

Musik: Thomas Unruh

Dramaturgie: Georg Kistner


Mit:

Argan: Bernhard Hurm

Toinette: Carola Schwelien

Vaccine: Linda Schlepps

Béline: Kathrin Kestler

Cléante: Luca Zahn

Dr. Diarrhörius: Franz-Xaver Ott

Thomas: Berthold Biesinger


Presse:

Rasant, radikal und zugleich richtig komisch

Endlich. Endlich dürfen die Darsteller des Melchinger Theaters Lindenhof wieder vor Publikum aufspielen. Und das darf endlich wieder gemeinsam lachen. Über Krankheiten, Tod, über Vakzine, Mediziner und über den Zustand der Welt. Molière “Der eingebildete Kranke” ist das “Must-see” dieses Theatersommers.

Es ist ein Kracher der darstellenden Kunst, mit dem sich die Lindenhöfler unter freiem Himmel auf der Wiese am Melchinger Fußbalstadion zurückmelden. Da stimmt alles: die brillanten schauspielerischen Leistungen mit einer strahlenden Carola Schweine als Hausangestellte Toilette, das mit edlen Stoffen, schrill-bunten Kostümen und einem mobil-schrägen Untergrund versehene Himmelbett von Ausstatten Claudia Rüll Calame-Rosset und die von Regisseur Christoph Biermeier und Dramaturg Georg Kistner verfügten radikalen Streichungen und augenzwinkernd-schwäbischen Ergänzungen im Ursprünglichen Text.

Es ist das Bühnenwerk für die Pandemiejahre (…) Dass das Publikum aus dem Lachen nicht mehr herauskommt, dass es mehrfach Szenenapplaus spendet – es mag damit zu tun haben, dass die moderne Lindenhof-Version dieses mehr als 300 Jahre alten Stücks aktueller daherkommt denn je und vielen Zeitgenossen den Spiegel vorhält. (…) Schwarzwälder Bote, 17.6. 2021


Komödiantisch, exzessiv: Volkstheater, Sommertheater!“ Hohenzollerische Zeitung, 8.6.2021


„Ein Blähbauch mit donnernden Fürzen steht am Anfang, der Lindenhof spielt das Stück zur Pandemie: Bernhard Hurm brilliert in Schlafrock und Zipfelmütze als Argan im „Eingebildeten Kranken“. Franz Xaver Otts Bearbeitung transportiert den Klassiker von Molière dialektisch in Mundart, Regisseur Christoph Biermeier macht einen habhaften Schwank aus der Geschichte, wie der Hypochonder Argan von den Ärzten kuriert wird. Das geschieht mit „Ahs“ und „Uhs“ und „Ohs“ und deftigen Sprüchen zu großzügig verabreichten Einläufen. Reihenweise fallen sie in Ohnmacht und spielen mit der Sprache, bis die Sprache mit ihnen spielt. Die Mimen sind grell geschinkt und verwandeln juchzend und gackernd die dargestellten Typen in regelrechte Karikaturen. Der Arzt Dr. Diarrhörius (herrlich sinister: Ott im Pumuckl-Outfit) nimmt Argan nach Strich und Faden aus und betrügt ihn mit seiner zweiten Frau Béline (Kathrin Kestler männermörderisch mit fränkischer Schwertgosch). Argans Tochter heißt hier nicht Angelique, sondern Vaccine – passend in Corona Zeiten. Linda Schlepps spielt sie virtuos glucksend und gicksend und schmachtend und schmollend. Der Vater will die Tochter mit dem Sohn des Doktors verkuppeln (Berthold Biesinger als herrlich schwäbelnder Schwadroneur mit Lämmerperücke). Doch die Tochter liebt den Musikus Cléante (Luca Zahn), der als Theater im Theater ein Schäferstündchen als Singspiel inszeniert und den Schafskopf von Nebenbuhler „mäh“ rufen lässt. Am Ende geht alles gut aus, weil die Haushälterin Toinette (Glanzrolle für Carola Schwelien) den Kranken heilt (….). Toinette stellt die Diagnose – nicht weniger als die „Krankheit Mensch“ wird hier verhandelt.“ Schwäbisches Tagblatt, 4.6.2021


„In ihren extravaganten Kostümen hat sich Argans Entourage, bunt wie Paradiesvögel, in einem Habitat breitgemacht, das man als seinen Enddarm deuten kann – das Bühnenbild zeigt unverkennbar an der hinteren Bühnenwand einen Schließmuskel. In die Musik von Thomas Unruh sind zudem – dezent – Blähgeräusche eingearbeitet. Das Stück funktioniert bis heute wunderbar als Typenkomödie in der Tradition der Commedia dell’arte. Der schwäbische Zungenschlag passt dabei sowohl zum Deftigen wie zum Gedrechselten (…). Über weite Strecken kommt man sich vor, als sehe man einen Louis-de-Funès-Film – so physisch ist das Spiel, so comichaft herausgestoßen sind die erschrockenen Ohs und Uhs. Bei der Premiere wurde viel und herzlich gelacht. Biermeiers auf Tempo getrimmte Inszenierung, die überbordende Spielfreude der Akteure und die gleichermaßen schrille wie gediegene opulente Ausstattung sorgen für einen unbeschwerten Theaterabend an der frischen Luft“.Reutlinger Generalanzeiger 4.6.2021