Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben


Komödie nach der Erzählung, Motiven und Gedichten des Franz von Kobell von Kurt Wilhelm


Zum Brandner Kaspar kommt eines Abends der Boandlkramer, der will ihn holen, denn seine Zeit ist abgelaufen. Doch der Jagdhelfer will nicht, er widersetzt sich und überlistet den unüberwindlichen Gegner. Mit Witz, Kirschgeist und einem Kartenspiel ergaunert er sich weitere 18 Lebensjahre. Das geht so lange gut, bis sein Enkelkind bei einem Unfall in den Bergen ums Leben und in den Himmel kommt …. Hier nun fliegt der unheilige Vorgang auf und der Boandlkramer muss es beim Brandner erneut versuchen, damit die göttliche Buchführung wieder stimmt ….


Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben

ein paar Fragen an den Regisseur Christoph Biermeier von Georg Kistner


Kistner: Der „Brandner Kaspar“ ist wohl das berühmteste bayrische Theaterstück. Franz von Kobell hat seine Erzählung 1871 im altbayrischen Dialekt geschrieben, sein Ururgroßneffe Kurt Wilhelm macht daraus hundert Jahre später die berühmte Theaterfassung. Der Brandner Kaspar ist wahrhaft legendär. Aber er ist „bayrisch“ durch und durch. Du selbst bist Bayer und arbeitest an dem Stück nun mit dem Theater Lindenhof, dem schwäbischsten Theater, das es gibt. Geht das zusammen?

Biermeier: Warum denn nicht? Es ist ein klassischer Volkstheaterstoff, wie geschaffen, den ins Schwäbische zu übertragen. Eine Geschichte, die im ländlichen Raum spielt, elementare Themen wie Liebe und Tod zeigt, eine gehörige Portion Komik und auch Tragik. Personen, die uns nah sind und nachvollziehbar. Ich denke, ein Stück wie geschaffen für das Theater Lindenhof. Natürlich ist es auch ein Märchen aus ferner Zeit, aber ich hoffe, wir kriegen das so hin, dass es auch heute noch nachvollziehbar ist und die abenteuerliche Welt der abgeschiedenen Bergtäler und der Wilderer, auch heute noch eine elementare Kraft entwickelt, die uns heutige Zuschauer interessiert.


Kistner: Die Geschichte „auf der Erde“ könnte ein Drama für sich sein, „kritisches Volkstheater“ hieß so etwas damals in den 70er Jahren, als Kurt Wilhelm diese Fassung erarbeitete. Jörg Graser oder Franz Xaver Kroetz hätten es schreiben können: Ein grundguter und fleißiger, aber hoch verschuldeter alter Mann, der sich dem Druck des Großkapitalisten nicht beugen will, schafft es, sich dagegen zu behaupten… Der Brandner ist ein Idol bayrischer Mentalität, er erfüllt alle Klischees und Petrus ist mit ihm schließlich hoch zufrieden. Bayrische und himmlische Mentalität, das ist hier eins…

Biermeier: Ob das eine bloß bayrisches Phänomen ist? Ich weiß es nicht. Ein sturer, alter Mann, jung im Herzen und von einer gewissen Anarchie geprägt, misstrauisch gegen jegliche Obrigkeit, gewitzt im Umgang mit ihr, einer, der Schicksalsschläge weggesteckt hat und relativ illusionslos dem Leben gegenüber verhält, ist das Bayerisch? Es könnte auch ein Finne sein, so wie Aki Kaurismäki seine Figuren beschreibt, oder ein Ire, wenn man an Beckett denkt, also eher eine Frage der Geisteshaltung, denn der Region. Schwieriger wird’s da schon mit der Frage nach der metaphysischen Absicherung. Denn in dem Stück ist der Himmel ja eindeutig bayerisch-katholisch, mit Weißwurstfrühstück, Voralpenidylle und Weißbier. Ungefähr so, wie die CSU gern hätte, dass Bayern ist. Ob der Brandner sich da auf die Dauer, sprich eine Ewigkeit lang, wohlfühlt?


Kistner: In diesem Stück allerdings schafft der Brandner Kaspar es nur, indem er dem Tod ein Schnippchen schlägt und damit ist die himmlische Dimension im Spiel. Dieser beschriebene Himmel allerdings ist wieder eine bayrische Traumvorstellung, da wird Schafkopf gespielt und Weißbier getrunken. Ist das auf die schwäbisch Alb übertragbar? Wie sieht der Himmel denn in der Vorstellung der Schwaben aus?

Biermeier: Ja, das ist der schwierigste Punkt bei der Übertragung. Wie sieht ein schwäbischer Himmel aus, oder wenn man so will, ein protestantischer? Geht das dann noch, dass beim Sündenregister beide Augen zugedrückt werden, dass also Gnade vor Recht ergeht? Hier ist diese Komödie dann doch sehr katholisch und wir versuchen eine Himmelswelt zu etablieren, in der sich die Frage nach Konfession und damit verbundenen Vorstellungen nicht mehr stellt. So eine Art Atmosphäre der allgemeinen Grundentspanntheit.


Kistner: In „der Brandner Kaspar“ ist der Tod nicht allmächtig genug, um ihn sterben zu lassen. Vielmehr ist er selbst eine bedauernswerte Kreatur und die beiden werden regelrecht Freunde, oder?

Biermeier: Das hat ja auch etwas tröstliches, dass der Tod nicht unfehlbar ist, dass er sich zum Kirschgeist verführen und sich beim Kartenspielen betrügen lässt. Das nimmt dem Tod ein wenig seinen Schrecken und so wie er geschrieben ist, der Boandlkramer, der Knochenkarle, ist er eine sehr komische Figur, skurril, witzig, menschlich, menschlicher als mancher Mensch und nebenbei eine absolute Paraderolle für einen Schauspieler. Und natürlich steckt dahinter dann doch die Angst vorm Tod. Indem man ihn menschlich macht und über ihn lachen kann, bannt man auch ein Stück weit, die Furcht vor ihm. Und das glaube ich, ist dann auch der Sinn dieses Stückes über das Sterben des Brandner Kaspars: Dass es das Leben feiert, in all seinen Facetten. So gesehen eine Hymne ans Leben.

 
















 



















Regie: Christoph Biermeier

Ausstattung: Claudia Rüll Calamet-Rosset

Musik: Sebastian Herzfeld

Dramaturgie: Georg Kistner

Musikalische Einstudierung: Klaus Rother


Mit: Constance Klemenz, Linda Schlepps, Bertold Biesinger, Stefan Hallmayer, Oliver Moumouris, Gerd Plankenhorn, Klaus Rother / Herwig Rupp, Alexis Schvartzman


Premiere: 30.11.2012, Stadthalle Balingen, 7.12. 2012 Wilhelma Theater Stuttgart, 5.1. 2013, Theater Lindenhof Melchingen, 4. 7. 2013, Haller Globe Theater, Schwäbisch Hall


Presse:


Da lacht sogar der Himmel Tränen, als es dem Brandner Kaspar gelingt, den Tod persönlich zu übertölpeln und ihm im Kartenspiel 18 Jahre Verlängerung abzutrotzen. Bei der Melchinger Premiere wurde die bayerische Komödie “Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben” von Kurt Wilhelm -- in schwäbischer Fassung von Christoph Biermeier inszeniert -- begeistert aufgenommen. (…) Biermeier inszeniert den Stoff als derbes, prall-komisches Volkstheater, irgendwo zwischen Jahrmarktrevue und Bauernschwank. Es wird live auf der Bühne schräg musiziert, die Figuren sind satirisch zugespitzt. (…) Insgesamt ein Stück beste Unterhaltung, in dem die Lindenhöfler ihre Lust an der Gestaltung schräger Charaktere und skurriler Figuren prächtig freien Lauf lassen. Und mittendrin in diesem komischen Spektakel kommen die tragischen Momente und die Fragen nach dem, was das Leben eigentlich ausmacht, nicht zu kurz. Reutlinger Generalanzeiger, 24.1.2012



Das Ensemble aus Melchingen unter der Regie von Christoph Biermeier präsentierte eine Inszenierung rund um die wohl bekannteste bayerische Literaturfigur, die vor hervorragender schauspielerischer Leistung strotzte und für eine gelungene Premiere sorgte. … Gekonnt präsentiert das Ensemble Haupt- und Parallelhandlungen auf dem als Schaukasten gestalteten Bühnenbild. Den Mittelpunkt markiert eine drehbare Konstruktion, die einmal des Brandners Hütte ist und sich mit einem Dreh in die Himmelspforte verwandelt. Hier treffen auch sprichwörtlich Welten aufeinander: der harten Wirklichkeit mit den so menschlichen Problemen und zum Teil bedrückend eindringlichem Spiel stand ein helles und humoristisch geprägtes Himmelreich gegenüber. …

Aus dem insgesamt guten Schauspiel stachen einige Rollen besonders heraus: Stefan Hallmayer als Brandner beeindruckt mit seinem fordernden und aussdrucksstarken Stil, als heiliger Petrus hat Gerd Plankenhorn die Lacher des Publikums sicher, und Oliver Moumouris als “Knochenkarle” verzaubert als einzige bayerisch sprechende Figur auf seine morbide-schusselige Art. …

Die Inszenierung mit modernen Elementen verlangt zu Beginn vom Publikum, die Konzentration zu halten, um dem feinen Spiel zu folgen. Doch mit fortschreitender Geschichte nimmt die Aufführung an Fahrt auf, Ernst und Humor sind immer dicht beieinander. Am Ende verabschiedet sich der Tod mit den Worten: “Wir seh’n uns.” Schwarzwälder Bote, 3.11.2012


Viel Applaus und Jubelrufe brandete den Protagonisten des Theaters Lindenhof nach Ende des Premierenauftrittes „Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben“ in der Balinger Stadthalle entgegen. … Südwestpresse, 3.12.2012


Biermeier spitzt das Bühnengeschehen gerne expressiv zu, hier klingt schon die Eingangsmusik von Sebastian Herzfeld ziemlich schräg. Doch der Stoff ist an sich schon zugespitzt genug: Hier wird nicht nur auf Erden verhandelt, sondern ebenso im Himmel. Problemlos hat Biermeier das Stück ins Schwäbische übertragen (Haha, wo ich doch gar kein Schwäbisch kann. Das waren dann doch die Akteure!!) Und er hat Typen modelliert, die es in jeder Region gibt, wie den selbstgefälligen Bürgermeister, der seine Fahne stets in den Wind hängt …. Von der Erde in den Himmel geht es mittels Drehung eines Holzhäuschens auf der Bühnenmitte: Dann steht da ein Bücherregal voller Ordner, flankiert von Engelsgestalten, denn hier geht es bürokratisch zu, alle studieren gerne Akten. Stephan Hallmayer in der Hauptrolle lässt sich davon wenig beeindrucken. Genial ist Oliver Moumouris als Tod …. . Stuttgarter Nachrichten, 4.12.2012



Regisseur Biermeier stellt das alles so prall und derb wie eine Mischung aus Jahrmarktrevue und Bauernschwank auf die Bühne. Lichtlein blinken, die roh behauene Hütte scheint wie von einer Dorfspieltruppe zusammengezimmert (Ausstattung: Claudia Rüll Calame-Rosset). Die Figuren sind lustvoll zugespitzt und mit grellen Konturen gezeichnet. (…)
Weit mehr als Karikaturen sind aber vor allem die großen Kontrahenten: Brandner und der Tod. Den Brandner macht Hallmayer zu einer großartigen Identifikationsfigur. Sein Wille, zu leben, seine unbändige Energie im Ringen um den überschuldeten Hof sind ebenso glaubhaft wie seine Selbstzweifel.  (…)


Denn die ergaunerten Jahre bergen Dunkles: Marie stirbt, Florian fliegt als Wilderer auf. Wofür lohnt es sich überhaupt, zu leben? Wann ist es Zeit, zu gehen? Hallmayers Brandner sieht diesen existenziellen Fragen so offen und geradlinig ins Auge wie zuvor dem Tod. Denn das ist eben der Clou von Biermeiers Inszenierung: dass genau in dieser Rahmung von derbem Schwank und Scherz jene existenziellen Momente umso drängender hervortreten. (…)  GEA, 25.1.2013



(…) Fazit: Christoph Biermeier arbeitet in “Brandner Kaspar” selbstverständlich -- wie jede Komödie -- mit Klischees und Typen, die ganz in ihrer Welt verwurzelt sind. Das aber auf einfach göttliche Art und Weise. Suedwestpresse, 25.1.2013



Fotos: Richard Becker