5-3-67-_1web-3fd8f15fb157f9510c804025dc3a63af


Du bist meine Mutter


von Joop Admiral


„Du bist meine Mutter“, das antwortet der Sohn auf die Frage seiner kranken Mutter: „Kennen wir uns denn?“


Ein Sohn macht sich auf den Weg zu seiner an Demenz erkrankten 80-jährigen Mutter im Pflegeheim. Jeden Sonntag lockt er sie für ein paar Momente zurück in die normale Welt, hilft ihr beim Anziehen und versucht, ihr über das gemeinsame Erinnern Lebensimpulse zu geben. Es beginnt eine Reise durch Kindheitsstationen, Verstrickungen und Bewältigungsversuche, die Mutter-Kind-Beziehung zu verstehen und zu verwandeln. Poetisch anrührend, unsentimental und komödiantisch beleuchtet das Stück den Umgang erwachsener Kinder mit ihren an Demenz erkrankten Eltern. Und so wirft dieses berühmt gewordene Theaterstück ein ganz neues Licht auf die Chancen und Abgründe dieser Situation, der jeder von uns früher oder später begegnen kann.


Ein wirklich schönes, trauriges Stück und für mich eine Wiederentdeckung. Ich habe es vor vielen Jahre irgendwo mal gesehen und für die Demenzkampagne wieder ausgegraben. Für die Recherche waren wir bei Treffen mit Demenzkranken. Dabei auch einiges gelernt, z.B. es geht nicht um Krankheit sondern um Würde und Respekt. Der Weg ins Vergessen ist nicht einfach nur schrecklich, es ist auch ein anderes Begegnen – traurig, grausam, aber auch schön und leise und manchmal überraschend. Erstaunlich auch, wie nahe einem die beiden Menschen in dem Stück kommen, wenn sie von einem Schauspieler gespielt werden, wie sie sich fremd sind und doch immer wieder geradezu verschmelzen. Ein stimmiger Ansatz für eine Eltern-Kind-Beziehung.


Mit: Andreas Entner

Regie: Christoph Biermeier


Presse:

Verstörend und berührend

Mit “Du bist meine Mutter” zeigen die Freilichtspiele Hall in ihrem Winterprogramm ein bewegendes Solo. In der Regie von Christoph Biermeier wechselt Andreas Entner eindrucksvoll zwischen Humor und Verzweiflung.
Zwei Rollen, ein Schauspieler: Andreas Entner verkörpert sowohl Joop als auch dessen an Alzheimer erkrankte Mutter. Im Theatersaal des Alten Schlachthauses steht ein Bett, ein Kleiderständer und ein Stuhl. Daran und an den Wänden hängen gelbe Haftklebezettel. Mit allerlei Erinnerungen – zum Beispiel “Linke Bettseite”, “morgens Zähne putzen”, “Joop kommt Sonntags”. Im Hintergrund läuft Heintjes “Mama”. …Er spielt beide Rollen – sich und sie. Mal liegt er im Bett mit einem Hustenanfall, dann sitzt er daneben und streichelt ihre Wange. Die Hand des Sohns auf der Wange der Mutter – zwei Personen in einer. Ein spannender Effekt und eine große Leistung des Schauspielers ist es, sekundenschnell in die jeweilige Rolle zu schlüpfen. Joop imitiert die Mutter, was teilweise wirkt, als spiele er ein Kind oder eine Verrückte. Macht er sich über sie lustig? Eine Möglichkeit, mit blank liegenden Nerven umzugehen? Im Publikum wird manchmal gelacht, zögerlich und unsicher. War das jetzt lustig, oder eher traurig? Es bleibt in der Schwebe. …
Die kleinen Lacher im vollbesetzen Saal werden immer weniger. Die Mutter fällt. “Nur ein Hüftbeinbruch”, lautet die Diagnose. Die Mutter wird noch nicht sterben. Dieses Leben geht weiter, Sonntag für Sonntag. Das Gefühl der Ausweglosigkeit, der Verzweiflung ist beim Sohn so groß, dass er immer wieder gegen die Wand springt. Man möchte ihn am liebsten stoppen. Endlich hört er auf, holt einen Haftklebezettel heraus, schreibt etwas darauf und klebt es auf das Kopfkissen – darauf steht “Stirb!”, SONJA ALEXA SCHMITZ | HT, 09.03.2013

Fotos: Anne Brüssel