Masterstudiengang Bühnenbild an der TU Berlin

Von 2003 bis 2005 hatte ich einen Lehrauftrag an der Technischen Universität Berlin.

So definiert sich der Masterstudiengang selbst: Der Studiengang Bühnenbild_Szenischer Raum der TU Berlin ist eine zweijährige Weiterbildung (Master of Arts) für berufserfahrene (Innen-) Architekten, Designer, Künstler, Kostümbildner und Theaterwissenschaftler. Gegründet im Jahr 2000 als Studiengang Bühnenbild wurde er 2007 mit der Erweiterung „Szenischer Raum“ neu profiliert und ist in seiner Art einmalig in Deutschland. Durch ein praxis- und projektorientiertes Studium werden die Szenografen der Zukunft ausgebildet.


Die Weiterbildung verbindet zwei Denkweisen der dramaturgischen Gestaltung von Raum: Einerseits die Gestaltung des Bühnenraumes für Oper, Schauspiel, Tanz und Musical – andererseits die Gestaltung von szenischen Räumen für Ausstellung, Event und Performance. Ziel ist es, Strategien der dramaturgischen Raumgestaltung und deren Umsetzung methodisch und handwerklich zu erlernen, um später sämtliche „Spielarten“ zu beherrschen und diese künstlerisch kraftvoll, konsequent und effizient im jeweiligen Feld einzusetzen. Insbesondere neue Formen der Raumgestaltung werden an unserem Studiengang experimentell entwickelt und erprobt.

Quelle: www.tu-buehnenbild.de



Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg

2009 unterrichtete ich an der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg,

Luc Perseval, der Leiter der Akademie, beschreibt das Ziel der Akademie so: “Theater ist Schreiben im Sand.“ Worte, die ich mit 15 zum ersten Mal von einem alten Schauspiellehrer hörte und die während meiner gesamten Karriere immer mehr an Bedeutung gewannen.

Tatsächlich ist Theater nichts anderes als „Schreiben im Sand“. Das wenige Geld, das man mit Schauspiel verdienen kann, ist schnell dahin. Der Ruhm ist genauso schnell verschwunden und vergessen. Und die Stücke, die Themen, die aufgeführt werden, können weder die Welt noch die Menschheit ändern oder gar verbessern. Bei nüchterner Betrachtung könnte man behaupten, dass Theater eine rein sinnlose Tätigkeit ist. Aber genau diese Erkenntnis beinhaltet die Antwort auf die Frage nach dem Sinn von 2500 Jahren (sinnlosem) Theater.

Die Menschheit hat ihre Bedürfnisse nach Sinngebung u.a. im Theater 
ritualisiert. Die ältesten Theatertexte faszinieren uns immer wieder, weil sie immer wieder dieselben universellen Fragen nach dem Sinn dieses Lebens und des menschlichen Leidens stellen. Und das, obwohl bis heute kein einziger Schriftsteller, kein einziger Theatermacher es geschafft hat, eine befriedigende Antwort zu formulieren. Weil diese Antwort jenseits jedes menschlichen Begriffsvermögens liegt, wird sie wahrscheinlich auch nie formuliert werden können. Hat es dann überhaupt noch Sinn, länger nach einer Antwort zu suchen?

Ist es nicht das Suchen nach dem Sinn, was uns am Leben hält, was dem 
Theatermacher seinen Adrenalinstoß, seine schöpferische Kraft schenkt? 
Und was den Zuschauer ins Theater treibt? Ohne diese Neugier gäbe es keine Kunst, keine Religion, kein Theater … und wahrscheinlich auch keine Schönheit. Ist nicht der Sinn des Theaters diese Suche an sich? Das Nichtwissen, das wissen will? Die Ursache der Sehnsucht nach Wahrheit ist nicht greifbar, nicht in Worte zu fassen. Das Einzige, was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass die Ursache sich in der Suche an sich manifestiert.

Aus der Tatsache, dass das Theater die Antwort schuldig bleibt, Künstler wie Zuschauer zwingt, die Stille, die Leere zu akzeptieren, sie ohne Erklärung ins Leben zurückwirft, ohne bestechende Logik – aus dieser Tatsache können wir lernen, wie man mit leeren Händen diesem Suchen vertraut. Das scheint der Sinn des Sinnlosen zu sein. Dies ist der spirituelle Weg des Theaters, der zum Loslassen jeden möglichen Konzepts, jeder Frage, jedes Urteils führt – und zum Hinnehmen der Stille. A road to nowhere. Oft das zentrale Thema in Shakespeares Stücken. Ein Weg, gepflastert von Verlust und Loslassen.

Die Erkenntnis, dass es keine Antwort gibt, entbindet von der Verpflichtung, eine Antwort schuldig zu sein. Sie gibt dem Theatermacher die Freiheit, 
aus dem Nichtwissen zu schaffen, auf die eigene Intuition zu vertrauen, auf die Energie und vor allem auf das, was der Moment anbietet, die Menschen um einen herum. Sie gibt die Freiheit, zu suchen, wobei die Antwort im Suchen selbst zu finden ist. Befreit von Sicherheiten und Voreingenommenheiten, ermöglicht der offene Blick das Erstaunen. Die Erkenntnis gibt Raum, Ausschau zu halten nach dem, was ist, und damit – frei wie ein unwissendes Kind – umzugehen. Sie gibt dem Schauspieler die Freiheit, zu spielen und zu reagieren auf das, was ist, und nicht auf das, was sein sollte – eine Spielart, die aus Respekt und Aufmerksamkeit entsteht, aus dem Bewusstsein der Abhängigkeit und dem Mut, sich vollkommen jener Abhängigkeit vom Seienden hinzugeben, sich nicht in Egomanie einzusperren. So eine Umgangsform, so eine Spieleinstellung gibt Freiheit, Luft, Inspiration und führt zu Spielfreude. Oder nennen wir es Kreativität.

„Schreiben im Sand” ist keine Erfolgsformel. Es ist eher ein Mantra – das 
ständige Wiederholen von immer denselben Fragen mit immer derselben Stille als letztendlicher Antwort. Aber eine Stille mit einer gewaltigen Kraft, der Kraft der Katharsis, ein Moment von erhöhter Aufmerksamkeit, gemeinsamem Bewusstsein und Verständnis für das Leiden des Menschen. Solange die Menschheit nicht imstande ist, dieses Mitleid ins alltägliche Leben mitzunehmen und umzusetzen, wird das Mantra des Theaters das „Schreiben im Sand“ bleiben. Bis zu jenem Tag die Mantras zu wiederholen, diesem Ritual zu Dienste zu stehen – das ist die einzige Aufgabe, die der Theatermacher hat. Alles andere ist eitle Hoffnung.


Luk Perceval

Quelle: www.adk-bw.de